Eine Scheidung führt nicht zur Unwirksamkeit des vorehelichen Erbvertrags
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Frage zu behandeln, ob eine Erbeinsetzung in einem vor der Eheschließung geschlossenen Erbvertrag nach einer späteren Scheidung wirksam bleibt. Der BGH entschied, dass solche Erbeinsetzungen grundsätzlich gültig bleiben, sofern im Erbvertrag keine expliziten Regelungen für den Fall einer Scheidung getroffen wurden oder ein entsprechender Wille der Vertragsparteien nicht nachweisbar ist.

Der BGH stellte klar, dass § 2077 Abs. 1 und 2 BGB, der die Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Auflösung einer Ehe regelt, nicht analog auf vor der Eheschließung geschlossene Erbverträge anwendbar ist. Diese Vorschrift setzt voraus, dass die letztwillige Verfügung während einer bestehenden Ehe oder eines Verlöbnisses errichtet wurde. Wenn jedoch ein Erbvertrag vor der Ehe geschlossen wird, fehlt es an einem hinreichenden Bezug zur späteren Eheschließung, weshalb die gesetzliche Regelung nicht greift.

Im zugrundeliegenden Fall hatten zwei Personen einen Erbvertrag abgeschlossen, bevor sie heirateten. Nach ihrer Scheidung stellte sich die Frage, ob die im Vertrag getroffene Erbeinsetzung weiterhin Bestand hat. Die Parteien hatten weder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Ehe noch ein Verlöbnis geplant. Der Vertrag enthielt keine spezifischen Regelungen für den Fall einer späteren Scheidung.

Keine analoge Anwendung von § 2077 BGB: Der BGH argumentierte, dass § 2077 BGB auf solche Konstellationen nicht anwendbar ist, da die Vorschrift auf letztwillige Verfügungen abzielt, die während einer Ehe oder eines Verlöbnisses errichtet wurden. Eine analoge Anwendung sei unzulässig, da nichteheliche Lebensgemeinschaften bewusst auf rechtliche Bindungen verzichten und daher keine automatische Unwirksamkeit solcher Verfügungen bei Beziehungsende erwartet werden kann.

BGH betonte, dass der individuelle Wille des Erblassers bei der Auslegung eines Erbvertrags vorrangig ist. Ohne klare Hinweise darauf, dass die Erbeinsetzung nur für den Bestand der Ehe gelten sollte, bleibt diese wirksam. Die Entscheidung dient auch dem Schutz des Begünstigten im Erbvertrag und wahrt die Rechtsklarheit. Einseitige Änderungen durch nachträgliche Lebensereignisse wie eine Scheidung wären mit dem Charakter eines bindenden Erbvertrags unvereinbar.

Der Beschluss des BGH verdeutlicht die strikte Trennung zwischen den Regelungen für letztwillige Verfügungen (§ 2077 BGB) und vertraglichen Absprachen in Erbverträgen. Eine vorehelich vereinbarte Erbeinsetzung bleibt auch nach einer Scheidung wirksam, es sei denn, der Vertrag enthält gegenteilige Regelungen oder der Wille zur Beschränkung auf den Bestand der Ehe kann eindeutig nachgewiesen werden.
BGH, Beschluss vom 22.05.2024, Aktenzeichen: IV ZB 26/23, eingestellt am 01.01.2025