Pflichtteilsergänzung bei Schenkung unter Einräumung eines Wohnrechts
Eine für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB maßgebliche Schenkung liegt nur dann vor, wenn der Erblasser sowohl seine Rechtsstellung als Eigentümer vollständig aufgibt als auch auf die wesentliche Nutzung des verschenkten Gegenstandes verzichtet. Dies ist nicht der Fall, wenn der Erblasser sich das Recht vorbehält, den verschenkten Gegenstand weiterhin zu nutzen, etwa durch ein lebenslanges Wohnrecht. Ein Beispiel dafür ist eine unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks unter dem Vorbehalt eines lebenslangen Wohnrechts für den Erblasser und – im Falle seines Erstversterbens – für seine Ehefrau. Dieses Wohnrecht wird zusätzlich durch eine Pflegeverpflichtung und eine durch Rückübertragungsansprüche gesicherte Verpflichtung des Erwerbers flankiert, das Grundstück weder zu Lebzeiten des Erblassers noch bis zum Tod seiner Ehefrau zu veräußern oder zu belasten.
Das Kriterium der Aufgabe der Nutzung wird in einem solchen Fall nicht erfüllt, da der Erblasser das Grundstück im Wesentlichen weiterhin für sich beanspruchen kann. Dabei ist es unerheblich, dass sich das Wohnrecht möglicherweise nur auf einen Teil des Grundstücks oder der Gebäudefläche bezieht, wie etwa auf 80 % der Wohnfläche. Ebenso spielt es keine Rolle, ob der Erblasser das ihm eingeräumte Wohnrecht tatsächlich nutzt oder nicht. Entscheidend ist, dass ihm das Recht dazu zusteht und er sich die Möglichkeit zur Nutzung vorbehalten hat. Folglich liegt keine vollendete Schenkung im Sinne des § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB vor, und es kommt somit nicht zum Fristenlauf für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch.
OLG Naumburg, Beschluss vom 04.08.202, Az. 2 U 162/21, eingestellt am 15.09.2024