Zur Vereinbarung des auflösend bedingten Pflichtteilsverzichts in einem Ehe- und Erbvertrag
Vor dem Oberlandesgericht Hamm stritten die enterbte Ehefrau und die als Alleinerbin eingesetzte Tochter des Erblassers über die Auslegung eines Ehe- und Erbvertrages, der auch einen Erb- und Pflichtteilsverzicht der Ehefrau enthielt und über einen später abgeschlossenen notariellen Vertrag, nach dem der Erb- und Pflichtteilsverzicht unter die auflösende Bedingung gestellt wurde, dass der Erb- und Pflichtteilsverzicht nicht gelten solle, wenn der Erblasser nicht ein entsprechendes Vermächtnis für die zweite Ehefrau ausloben würde, dass ihr zumindest die Höhe des Pflichtteils zusprechen würde.

In der Entscheidung führt das Oberlandesgericht Hamm aus, dass die Überprüfung von Erb- und Pflichtteilsverträgen bezüglich einer Sittenwidrigkeit, wenn Disparität zwischen den Vermögensverhältnissen der Beteiligten besteht, nicht denselben Überprüfungsgrundsätzen unterzogen wird, wie ein reiner Ehevertrag. Sittenwidrigkeit liegt bei Pflichtteilsverzichtsverträgen beispielsweise vor, wenn eine Täuschung oder eine Drohung vorliegt. Dies war im vorliegenden Fall jedoch nicht so. Markant an der Entscheidung war, dass der Ehevertrag mit Erb- und Pflichtteilsverzicht ca. 13 Jahre vor dem neuen Vertrag geschlossen wurde, der den Pflichtteilsverzicht unter die auflösende Bedingung gestellt hat. Aufgrund der Bezugnahme auf den alten Ehe- und Erbverzichtsvertrag war eine Verbindung zwischen den beiden Urkunden herzustellen. Da der Erblasser seiner notariell vertraglichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist, in seinem Testament ein Vermächtnis für seine Ehefrau auszuloben, war der Erb- und Pflichtteilsverzicht hinfällig geworden. Aus diesem Grund sprach das Oberlandesgericht Hamm der enterbten Ehefrau den Pflichtteil entsprechend der gesetzlichen Erbquote zu.
OLG Hamm, Az. 10 U 18/18, Urteil vom 19.02.2019, eingestellt am 01.07.2020