Umfassende Vollmachtserteilung als milderes Mittel anstelle der Sorgerechtsübertragung
Streiten sich die getrenntlebenden Kindeseltern über die Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge oder über die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf ein Elternteil, so kann als milderes Mittel im Verfahren eine umfassende Sorgerechtsvollmacht beigebracht werden, die es dem anderen Elternteil, der die Hauptbetreuung für das Kind hat, ermöglicht, mit der Sorgerechtsvollmacht sämtliche Lebensbereiche des Kindes abzudecken. Liegt eine solche Vollmacht vor, dann muss es nicht zwangsläufig zur Entziehung eines Teils oder der gesamten elterlichen Sorge nach § 1671 BGB kommen. Ein solcher Eingriff der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge stellt einen Eingriff in das nach Art. 6, Abs. 2 GG geschützte Elternrecht dar und bei einem Eingriff in Grundrechte ist jeweils zu prüfen, ob es nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein milderes Mittel zu dem Eingriff gibt. Dieses kann die Sorgerechtsvollmacht darstellen.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist neben der Vollmacht auch eine ausreichende Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit Voraussetzung für die Erteilung einer Vollmacht, sofern eine solche Kooperationsbereitschaft und Fähigkeit unerlässlich ist für den bevollmächtigten Elternteil. Ist die Vollmacht allumfassend und bedarf es einer solchen Kooperation und Kooperationsfähigkeit nicht mehr, so kann auch dies aus Sicht des jeweils zu entscheidenden Gerichts dazu führen, dass es keiner Übertragung der alleinigen Sorge oder von Teilen der gemeinsamen Sorge auf einen Elternteil bedarf.

In einer entsprechenden Entscheidung hatte sich das Oberlandesgericht Bremen genau mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Hier reichte der Kindesvater im Beschwerdeverfahren eine Vollmacht nach, so dass dann die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter zurückzuweisen war.
OLG Bremen, Az.: 5 UF 13/23, Beschluss vom 07.09.2023, eingestellt am 31.10.2023