Mehrstufige Ausbildung und die Gewährung von Ausbildungsunterhalt
Eltern sind ihren Kindern gegenüber verpflichtet, nach § 1610 Abs. 2 BGB im Rahmen des Unterhalts auch die Kosten für eine angemessene Ausbildung und Vorbildung zu einem Beruf zu zahlen.

Die Berufsausbildung hat den Fähigkeiten und dem Leistungswillen und der Begabung des Kindes gerecht zu werden. Nicht geleistet werden muss Unterhalt für vorübergehende Neigungen eines Kindes. Daraus ergibt sich, dass das unterhaltsberechtigte Kind im Rahmen seiner Ausbildung dann einen Ausbildungsunterhalt verlangen kann, der von den Eltern geschuldet wird, wenn es entsprechend seiner Begabung eine Berufsausbildung aufnimmt. Diese Berufsausbildung muss den Anlagen und Fähigkeiten entsprechen, die das Kind für die Ausbildung mitbringt und es kann auch ein mehrstufiger Ausbildungsweg im Rahmen des Unterhalts geleistet werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn beispielsweise eine Lehre oder Fachhochschulausbildung mit anschließendem Studium als einheitlicher Berufsbildungsweg angesehen werden kann. Liegt also eine Ausbildung vor, an die sich eine Weiterbildung anschließt und dies von vornherein das angestrebte Ziel des Kindes war, so ist auch für diese Ausbildung der Unterhalt zu zahlen. Das Gleiche gilt, wenn während einer Ausbildung eine besondere Begabung des Kindes zutage tritt und die Weiterbildung der Begabung des Kindes entspricht. Weiterhin ist ein enger und sachlicher zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Berufsausbildungsschritten erforderlich. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. BGH, Az. XII ZR 54/04, BGH, Az. XII ZB 192/16.

Vor dem Oberlandesgericht in Bremen ging es in der Fragestellung des Ausbildungsunterhalts darum, ob auch einem Kind Ausbildungsunterhalt gewährt werden müsse, das zunächst die Fachoberschule abgebrochen hat, im Anschluss eine Lehre absolviert hat als Bauzeichner und dann nach Absolvierung der Fachoberschule ein Freiwilliges soziales Jahr mit anschließendem Architekturstudium aufgenommen hat. Das Oberlandesgericht Bremen kam in seiner jetzt veröffentlichen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang in der Ausbildungsphase des Kindes zu sehen ist. Auch die Noten des Kindes mit Abschluss der Fachoberschule und dem zielstrebig durchgeführten Architekturstudium innerhalb der Regelzeit deuten darauf hin, dass eine einheitliche Ausbildung vorlag. Aus diesem Grund war der Vater verpflichtet, dem Kind den Ausbildungsunterhalt zu zahlen.
OLG Bremen, Az.: 4 UF 59/21, Beschluss vom 19.10.2021, eingestellt am 15.02.2022