Amtsermittlungsgrundsatz hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit im Rahmen der Vollmachterteilung
Grundsätzlich kann jeder Geschäftsfähige in Deutschland Vollmachten erteilen, die dann dem Bevollmächtigten gegenüber im Rechtsverkehr verwendet werden können.
Insbesondere im familienrechtlichen oder erbrechtlichen Kontext stellt sich die Frage, ob der ggf. betagte Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung gegenüber dem Vollmachtnehmer geschäftsfähig nach § 104 BGB oder geschäftsunfähig war. Geschäftsunfähig ist derjenige, der nicht weiß, was er tut im Rahmen der Rechtshandlung, die er vornimmt. Geschäftsunfähig ist wiederum derjenige, der sich in einem Zustand dauerhafter, krankhafter Störung befindet.
Stellt sich in einem gerichtlichen Verfahren die Frage, ob der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung geschäftsunfähig war, so hat das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 26 FamFG die Geschäftsunfähigkeit von Amts wegen aufzuklären. Hierfür werden im Zweifel fachpsychiatrische Gutachten eingeholt, um feststellen zu können, ob eine Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hat.
Praxishinweis: Die gleichen Fragestellungen können hinsichtlich der Testierfähigkeit im Erbrecht auftauchen, nämlich ob der Testierende zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments testierfähig war, ob er also wusste, dass er eine entsprechende Verfügung von Todes wegen erklärt. Da auch Erbscheinverfahren dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG unterliegen, ist bei Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers entsprechend zu verfahren und ein fachpsychiatrisches Gutachten zur Testierfähigkeit einzuholen.
BGH, Az.: XII ZB 339/22, Beschluss vom 02.11.2022, eingestellt am 15.04.2023