Betreuung durch nahe Familienangehörige
Wenn eine Person aufgrund geistiger oder körperlicher Einschränkungen nicht in der Lage ist, ihre eigenen Angelegenheiten selbständig zu regeln, so kann für diese Person eine Betreuung gerichtlich angeordnet und ein Betreuer bestellt werden. Im Eltern-Kind-Verhältnis obliegt die Betreuung im Rahmen der elterlichen Sorge den Eltern, aber auch hier kann die Betreuung angeordnet und die Eltern können als Betreuer eingesetzt werden. Wenn die Eltern sich als ungeeignet erweisen, kann auch gerichtlich ein anderer Betreuer als die Eltern bestellt werden.
Im Rahmen von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten wird häufig willentlich bereits ein Betreuer benannt. Auch hier wird regelmäßig auf Familienangehörige zurückgegriffen. Durch die so selbständig angeordnete Betreuung soll verhindert werden, dass eine familienfremde Person die Betreuungsangelegenheiten übernimmt.
In einem aktuellen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 6, Abs. 1 GG, der den Schutz der Familie regelt, auch bei der Auswahl des Betreuers zu berücksichtigen ist und im Auswahlverfahren diesem Grundrecht Rechnung zu tragen ist.
Im vorliegenden Fall ging es um die Fortsetzung der Betreuung für eine behinderte Tochter, in deren Verlauf bei Volljährigkeit durch das Amtsgericht die Betreuung den Eltern entzogen wurde. Hiergegen wandten sich die Eltern mit der Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass im Rahmen der Betreuerbestellung den familiären Gegebenheiten Rechnung zu tragen ist und insbesondere zwischen nahen Familienangehörigen von einer tatsächlichen engen familiären Verbundenheit und Bindung ausgegangen werden kann. Wenn diese besteht, dann ist dieser Bindung Rechnung zu tragen und eine Betreuerauswahl aus dem nahen Familienkreis zu bevorzugen. Etwas anderes kann gelten, wenn der Betreuer offensichtlich ungeeignet ist oder selbst wenn die Betreuung bestellt wurde, sich im Nachgang herausstellt, dass aufgrund der fehlenden Eignung der Betreuer zu entlassen wäre. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stärkt somit die Möglichkeit, Betreuer aus dem nahen Familienkreis, deren Eignung gegeben ist, in der Auswahl zu bevorzugen.
Bundesverfassungsgericht, Az. 1 BvR 1619/21, Beschluss vom 28.02.2022, eingestellt am 30.04.2022