Zur Auslegung eines Ehegattentestaments einer Patchworkfamilie
Kennzeichen eines Patchwork-Familien-Testaments ist es häufig, dass sowohl die gemeinsamen Kinder als auch die Kinder des jeweiligen Ehegatten bedacht werden. In einer aktuellen Entscheidung vor dem Oberlandesgericht München hatten die Ehegatten, die keine gemeinsamen Kinder hatten, in einem Erbvertrag aufgenommen, dass sie sich wechselseitig als Alleinerben einsetzen und die Kinder jeweils als Schlusserben. Sie führten im Testament weiter aus, dass Ersatzerben zunächst nicht bestimmt werden sollten. Die Tochter der Ehefrau war dann jedoch vor dem Schlusserbfall vorverstorben und die Ehefrau testierte neu.
In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob den Kindern des Ehemannes der Erbteil der Ehefrau nach § 2278 BGB angewachsen war oder ob die Ehefrau die Möglichkeit hatte, neu zu testieren.
In seinem Beschluss kommt das Oberlandesgericht München zu dem Schluss, dass in einer Patchworksituation, in der sich die Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben einsetzen und die jeweiligen Kinder Schlusserben sein sollen, es nicht zu einer Anwachsung kommt, wenn ein Schlusserbe vorverstirbt und somit der Schlusserbe aus dem Stamm eines Erblassers wegfällt. Diese Annahme wurde getroffen, weil die Tochter der Erblasserin als Schlusserbin vorverstorben ist, während die Kinder des vorverstorbenen Erblassers zur Zeit des Erbfalls noch vorhanden waren. Im Ergebnis führt das Oberlandesgericht München aus, dass es im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung und wenn ein Testament keine weiteren Hinweise darauf zulässt, anzunehmen ist, dass die wechselseitige Erbeinsetzung nur dann in Kombination mit der Schlusserbeneinsetzung gelten soll, wenn auch selbst noch leibliche Abkömmlinge vorhanden sind. Wenn keine weitere Ersatzerbeneinsetzung erfolgt sei, dann hat der überlebende Ehegatte, dessen Schlusserbenstamm wegfällt, die Möglichkeit, erneut zu testieren.
Praxishinweise: In Patchworktestamenten und Erbverträgen ist detailliert aufzunehmen, welche Klauseln wechselbezüglich sein sollen und welche Klauseln gerade nicht. Darüber hinaus ist zu klären, ob bei Versterben von Ersatzerben eine Anwachsung stattfinden soll oder aber die Möglichkeit von Ersatzerbenbenennung gegeben sein soll. Je klarer ein Erbvertrag oder Testament formuliert ist, desto weniger bedarf es der späteren gerichtlichen Auslegung.
OLG München, Aktenzeichen 31 Wx 415/17, Beschluss vom 05.11.2020, eingestellt am 15.02.2021